„Jeden Tag einen Glücksmoment verschenken“

Ein großer Garten in Mönchengladbach-Neuwerk: Die Zwillinge Henri und Mats (11) toben ausgelassen mit ihrem Pigskin, einem American Football. Das ist ihr großes gemeinsames Hobby, die beiden trainieren zweimal in der Woche bei den Schiefbahn Riders. Ihre Eltern, Silvia und Bernd Gülden, schauen von der Terrasse aus zu und strahlen übers ganze Gesicht. Das war nicht immer so, denn im Juli 2014 legte sich ein grauer Schatten über das Familienglück: Henri erkrankte mit knapp zwei Jahren an einem Neuroblastom. An einer Nebenniere hatten Ärzte diesen Nervenzellentumor festgestellt.

Ab diesem Zeitpunkt war nichts mehr wie vorher. Silvia und Bernd Gülden mussten ihr Leben komplett umkrempeln. Und das ausgerechnet in der Phase, in der sie mit dem Bau ihres Hauses begonnen hatten. Lange Aufenthalte im Helios Klinikum Krefeld bestimmten die nächsten zwei Jahre. Mama Silvia blieb in der Woche bei Henri, die Omas kümmerten sich um Mats und wurden für ihn so etwas wie ein Mutterersatz. „Diese harte Zeit hat Körner gelassen“, resümieren die Eltern und werden konkret: „Wir wurden privat und beruflich komplett aus dem normalen Alltag gerissen, hatten viele schlaflose Nächte. Uns und unseren Sohn Mats plagten große Verlustängste. Mats konnte diese Zeit gar nicht gut verarbeiten, weil er nicht verstanden hat, warum sich alles um Henri dreht.“

Henri und Mats sind unzertrennlich

Henri verpasste einen Großteil seiner Kindergartenzeit. Und Mats ging gar nicht gerne in die Kita, weil ihm sein Bruder fehlte. „Erst als Henri 2016 aus der Langzeittherapie entlassen wurde und endlich auch mitkommen durfte, war auch Mats Feuer und Flamme“, erinnert sich Bernd Gülden. Bis heute sind die Zwillinge unzertrennlich. Sie haben ein gemeinsames Schlaf- und Spielzimmer, wo sie Unterwasserwelten aus LEGO erschaffen und eine kreative Pokemon-Landschaft gebaut haben. Sie gehen zusammen in die 6. Klasse des Willicher St.-Bernhard-Gymnasiums und haben dieselben Lieblingsfächer: allen voran Kunst, gefolgt von Sport und Religion.

Das Leben der Zehnjährigen ist bunt und vielfältig: Henri und Mats freuen sich immer auf die Urlaube mit dem kleinen Familien-Motorboot in Kroatien, rund um Roermond oder auf der Mosel und haben sich im Garten eine Höhle mit drei Räumen gebaut: mit Hängematte, Sessel und einem selbstgebauten Tisch. Die Gülden-Jungs sind echte Naturliebhaber und sagen: „Wir helfen gerne im Garten mit und haben dort Blumen und Bodendecker gepflanzt, um Bienen anzulocken.“ Trotz vieler Gemeinsamkeiten hat das Zwillingspaar aber auch unterschiedliche Vorlieben: Während Henri gerne Fleisch isst, greift Mats lieber zu Süßem. Henris Lieblingsfarbe ist Grün und die von Mats Blau – das erkennt man auch an ihren Turnschuhen. 

„Wir sind als Familie enger zusammengerückt“

„Durch die Krankheit von Henri sind wir als Familie enger zusammengerückt und leben heute intensiver. Wir genießen jede Auszeit und lassen auch mal ne Fünf gerade sein“, ist das Fazit von Silvia und Bernd Gülden. Denn die Familie weiß: Aufgrund der Diagnose „Stadium 4“ kann für Henri keine Heilungsprognose gestellt werden, und auch ein Rückfall ist nicht ausgeschlossen. Dass das Gedankenkarussell nicht durchdreht, dafür sorgte, gerade in der Zeit von Henris akuter Erkrankung, der Förderverein zugunsten krebskranker Kinder Krefeld, der seine Geschäftsstelle direkt neben dem Helios Klinikum hat. Im Verein konnten sich die Eheleute Gülden gegenüber anderen Eltern mit demselben Schicksal öffnen, Fragen stellen und Kraft tanken. 2016 und 2017 nahmen die vier Güldens zum Beispiel an dreitägigen Freizeiten betroffener Familien zum Reichswaldhof in Goch teil, die der Förderverein jedes Jahr organisiert. Mittlerweile gehört Bernd Gülden sogar dem Beirat an und sagt: „Durch die liebevolle und professionelle Begleitung fühle ich dem Förderverein sehr verbunden und möchte nun einfach etwas zurückgeben.“

Silvia und Bernd Gülden sind durch die Krebserkrankung ihres Sohnes stärker geworden und raten anderen Eltern, die mit der Diagnose „Krebs“ bei ihrem Kind konfrontiert werden: „Niemals die Hoffnung aufgeben, egal was passiert. Den Alltag positiv gestalten und viel lachen, auch wenn es schwerfällt. Den Kindern jeden Tag einen Glücksmoment schenken und ihnen zeigen, dass alles gut wird.“

(Petra Verhasselt)